Wie geht das, Freitauchen?



Als Kind quälten mich viele Jahre die Symptome einer chronischen Bronchitis.
Fast jede Woche war ich in der Uni-Kinderklinik und jeder Atemzug war schwer.

Die Ärzte probierten alles Mögliche aus.
Geholfen hat eine Kur, mehrere Monate am Meer.
Saubere salzige Luft war meine Medizin.

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Es war Langeweile im Urlaub.
Irgendwann kaufte ich mir für 3 DM einen Schnorchel und eine Maske.

Als ich das erste Mal den Kopf unter Wasser steckte, sah ich ein Seepferdchen.
Seitdem mag ich ihn, den Blick in die Tiefe.

Mit der Hilfe von Freunden habe ich dann das Apnoetauchen gelernt.
(Apnoetauchen = Freitauchen = Freediving)
Am Anfang ganz bescheiden, inzwischen bis 20 Meter.

Mein Lungenvolumen ist inzwischen viel besser geworden und die Bronchien gelten als ausgeheilt.


Einfach beginnen.

Wenn du möchtest, versuchen wir es gemeinsam.

Den Kopf unter Wasser stecken und dabei einfach weiter atmen, das ist nicht leicht.
Deshalb werden wir das jetzt gemeinsam üben.

Dazu gehen wir am Strand ins Meer.
Wir sollten gut stehen können.

Als Erstes setzen wir die Maske auf.
Dann das Mundstück vom Schnorchel in den Mund stecken und durch den Schnorchel normal weiter atmen.
Ganz ruhig atmen, entspannen.

Wenn das einigermaßen funktioniert, gehen wir langsam in die Knie und tauchen den Kopf ins Wasser.
Nur die Öffnung vom Schnorchel schaut aus dem Wasser.

Spüre das Gefühl, mit dem Kopf im Wasser ruhig zu atmen.
Es ist ein neues, ein gutes Gefühl.
Lass dir Zeit.

Wenn du dich wohlfühlst, legen wir uns in Bauchlage auf das Wasser und lassen uns ruhig treiben.
Der Kopf bleibt entspannt auf dem Wasser.
Immer ruhig weiter atmen.

Jetzt lassen wir uns ins tiefere Wasser treiben.
Vor uns erheben sich Gebirge aus Schwämmen.
Wir fliegen über Täler prächtiger Korallen.
Vor uns erscheint eine unendlich lebendige Vielfalt.

Mit Stille, mit Schönheit und mit magischen Augenblicken.

Freitauchen - Schwämme


Freitauchen

Jetzt wollen wir versuchen, uns von der Oberfläche zu lösen und etwas nach unten zu tauchen.
Einfach nur Luft anhalten und mit ein paar kräftigen Beinbewegungen treiben uns die Flossen in die Tiefe.

Das nennt man Freitauchen.

Das macht Spaß, wenn wir die Technik des Druckausgleichs beherrschen.
Denn in etwa zwei Meter Tiefe drückt der Wasserdruck auf unsere Ohren.
Deshalb halten wir uns die Nase zu und pumpen mit dem Mund kräftig Luft in den kleinen Kanal, der im Kopf die Ohren und den Rachenraum verbindet.
Auch das funktioniert.

Nun fühlen wir uns auch in fünf, sechs Metern Meerestiefe pudelwohl.

Wenn ich beim nächsten Mal nicht dabei bin, laß dir diese Technik bitte von einem taucherfahrenen Freund zeigen.
Es ist eine alte und wichtige Regel, dass man nicht alleine taucht.

Freitauchen


Warum trägst du einen Gürtel?

1. Am Gürtel sind vier Kilogramm Blei gegen den Auftrieb.
2. Im Salzwasser würde ich sonst ständig nach oben gedrückt.
3. Das Blei hält mich bei zehn Meter entspannt in der Schwebe.


Zehn Meter

Folge mir nun an die magische Grenze von zehn Metern Meerestiefe.

Taucher

In dieser Tiefe hat man keinen wirklichen Kontakt mehr zur Oberfläche.
Der Auftrieb ist gering und man fühlt sich eins mit dem Meer.

Freitaucher in 10 Meter


Warum trägst du im Wasser ein weißes T-Shirt?

1. Weil es warm hält.
2. Weil es vor Sonnenbrand schützt.
3. Weil Haie keine weißen Beutetiere kennen.


Meditation unter Wasser

Am Einfachsten ist natürlich das Meditieren an der Wasseroberfläche.

Dabei liege ich ganz locker auf dem Wasser.
Mein Atem wird flach und nach und nach entspannt sich jeder Muskel meines Körpers.
Wie ein Stück Holz treibe ich im Meer.

Während der Meditation ist mein elektrisches Feld sehr schwach.
Kein Muskel zuckt.
Das führt manchmal zu Begegnungen der besonderen Art.

Du musst wissen, Fische haben ein Seitenlinienorgan.
Mit dem merken sie, ob das Hindernis vor ihnen ein Gegenstand oder ein Lebewesen ist.
Dieses Seitenlinienorgan kann nämlich elektrische Felder spüren.

Wenn da nichts zu spüren ist, wird mein Körper als Treibgut eingestuft.
So geschieht es, dass ein Schwarm Fische einfach durch mich hindurch schwimmt.

Die Fische schwimmen nicht wirklich durch mich hindurch.
Aber sie schwimmen ohne Vorsicht ganz nah an mir vorbei.
Links von mir, rechts von mir und unter mir durch.

Kurzzeitig fühlt es sich an, als wäre ich ein Teil dieses Schwarms.
Das ist ein gutes Gefühl.

Rotes Meer - Makrelen

Meditieren unter Wasser geht auch in 10 Meter Tiefe.

Zehn Meter erreiche ich in etwa sieben Sekunden.
Mein Körper schwebt jetzt schwerelos.

Um mich herum sind nur noch Stille und Frieden.
Ein guter Ort zum Meditieren.

Beim Meditieren fahre ich meinen Körper herunter.
Jeder Muskel ist entspannt.

Auch mein Gehirn benötigt wenig Sauerstoff.
Ich schaue nur, ohne zu bewerten, ohne zu denken.

Tiefe Meditation gelingt mir nur selten.
Das ist ein Zustand, in dem ich mich mental auflöse.
Dann fühle ich mich mit allem um mich herum verbunden.

Es sind immer nur wenige Sekunden.
Aber wenn es passiert, dann ist das Gefühl überwältigend.


Sicherheit

Rotes Meer - Adlerrochen

Es ist um die Mittagszeit.
Unter mir erscheint ein riesiger Adlerrochen mit einem echt langen Schwanz.
Schnell die Kamera anschalten, tief einatmen und runter.

Immer dranbleiben.
Ein schönes Tier.

Der Rochen schwimmt in Richtung Meer.
Er ist schön langsam, lässt mich fast überholen.
Großartig.
Das wird ein guter Film.


Nun wird es Zeit zum Auftauchen und ich mache mich auf den Rückweg.
Sieben starker Flossenschläge, dann bin ich oben.
Dachte ich.

Eigentlich bin ich jetzt kurz vor der Oberfläche.
Diesmal nicht.
Da ist noch verdammt viel Wasser über mir.

So beginnen normalerweise Geschichten von einem tödlichen Tauchunfall.

Keine Ahnung wie tief ich bin.

Den Tiefenmesser habe ich im Hotel gelassen.
Das mit der Tiefe, das habe ich doch inzwischen im Gefühl.
Dachte ich.

Noch ein paar Flossenschläge.
Merkwürdig, die Beine versagen, und die Arme auch.
Offenbar ist kaum noch Sauerstoff im Blut.

Das ist nicht gut.

Es sieht aus, als würde mich der Auftrieb gaaanz laaangsam nach oben bringen.
Die Zeit wird nicht reichen.
Mein Gehirn benötigt zu viel Sauerstoff.

Wenn ich jetzt Meditieren könnte, das wäre gut.
Ruhig werden.
Jeden Muskel entspannen.

Ich weiß, zuerst werde ich bewusstlos, dann werde ich ertrinken.
Merkwürdig, das wäre auch irgendwie ein schöner Tod.
Ja, es war ein gutes Leben.

Jeder meiner Sinne funktioniert immer noch glasklar.
Solange ich Online bin, werde ich jeden Augenblick intensiv geniessen.
Vollständig entspannt bin ich jetzt, mein Körper und mein Geist.

Das Wasser wird farbiger, schön.
Das Wasser wird heller.

Endlose Sekunden.

Die Beine funktionieren kurz wieder und bringen mich nach oben.
Tief strömt die Luft in meinen Körper.
Ein irre gutes Gefühl.

Analyse.

Ohne zu wissen, wie tief ich bin, konnte ich nicht richtig entscheiden.
Wahrscheinlich waren es um die zwanzig Meter.
Eigentlich kein Problem.

Nur dachte ich, dass ich bei zehn Meter war.
Entsprechend hatte ich die Sauerstoffreserve ausgereizt.

Hätte ich gewusst, wie tief ich wirklich bin, dann hätte ich einfach den Schnellverschluß vom Bleigürtel geöffnet.
Wie ein Korken wäre ich dann nach oben geschnippt.
Wusste ich aber nicht.

Als es mir bewusst wurde, funktionierten meine Arme nicht mehr.
Wochen später sah ich im Fernsehen einen Perlentaucher.
Seine Arme und Beine funktionierten auch nicht beim Auftauchen.

Inzwischen weiß ich, der Blutfluss zu den Gliedmaßen wird unter Wasser bei Sauerstoffmangel automatisch blockiert, damit das Herz und das Gehirn weiter versorgt werden kann.
Offenbar ist das ein uralter Schutzreflex.
Diesen Schutzreflex nutzt der Perlentaucher aus.
Allerdings hat der Perlentaucher kein Blei um den Bauch.


Wieso war ich eigentlich so tief?

Das hat mit Physik zu tun.

Mein Auftrieb wird vom Volumen des verdrängten Wassers bestimmt.
Je tiefer ich tauche, desto kleiner wird mein Volumen.
Denn ich werde vom steigenden Wasserdruck immer mehr zusammengedrückt.

Irgendwann bin ich so tief und so zusammengedrückt, dass mein Gewicht und das Gewicht vom verdrängten Wasser gleich groß ist.
Dann bin ich in der Schwebe.

Wenn ich jetzt höher gehe, werde ich etwas größer.
Damit verdränge ich mehr Wasser und werde so leichter.
Ich steige nach oben.

Gerate ich jedoch unter den Punkt der Schwebe, dann fange ich an langsam zu fallen.
Je tiefer ich falle, desto mehr wird mein Körper zusammengedrückt.
Desto schneller falle ich.
Genau das ist passiert.

Der Meeresgrund wird an dieser Stelle nur langsam tiefer.
Deshalb hatte ich nicht bemerkt, dass ich unter die Schwebe-Schwelle gekommen bin.

Geholfen hatte, dass ich es, beim Auftauchen, mit den Flossenschlägen bereits über die Schwebe-Schwelle geschafft hatte.
Dann musste ich nur noch lange genug bei Bewusstsein bleiben.
Am Ende half mir die Physik.

Das war eine wichtige Erfahrung.

Seit diesem Tag tauche ich stets mit Tiefenmesser.

Tiefenmesser


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